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Standardisierung von Sanierungskonzepten (IDW S 6) durch Ableitung einer Management-Summary am Beispiel für den Automobilhandel

ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht

Peter W. Plagens und Dr. Thomas Oldemanns

Vorbemerkung
In der Sanierungspraxis werden von Sanierungsberatern auf Veranlassung krisenbehafteter Unternehmen (oftmals auf Druck von Kreditinstituten) Sanierungsgutachten erstellt, die zur Sanierungsfähigkeit von Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, konkrete Aussagen und Handlungsempfehlungen geben sollen. Die in der Praxis anzu-treffenden Sanierungsgutachten, die sich zunehmend auf den IDW-Standard S 6 berufen, sind jedoch nach den Erfahrungen der Verfasser inhaltlich (von der Grobgliederung abgesehen) zum Teil völlig unterschiedlich, oftmals zu umfangreich und dadurch intransparent und in der Aussage nicht hinreichend klar strukturiert.

Durch die Einführung einer komprimierten Management-Summary zeigen die Verfasser auf, wie das Problem so-wohl unter betriebswirtschaftlichen wie auch rechtlichen Aspekten gelöst werden kann.

Problemstellung
Es ist eine Tatsache / Erfahrung, dass Unternehmen – unabhängig von Rechtsform und Größe – im Zeitablauf ihres Bestehens mal mit Erfolg und manchmal auch mit weniger Erfolg am Markt agieren. Selbst langjährig am Markt existierende Unternehmen sind keineswegs davor gefeit, auch in eine (endogen oder exogen) bedingte Krise zu geraten. Krisenbehaftete Unternehmen sind häufig gekennzeichnet durch Umsatz- und Ertragseinbrüche, Ver-zehr von Eigenkapital (bis hin zur bilanziellen Überschuldung) sowie zunehmenden Liquiditätsproblemen. In solchen Situationen muss sich das Management der betroffenen Unternehmung fragen, ob das Unternehmen noch realis-tisch fortgeführt oder ggf. erfolgreich saniert werden kann. Diese Frage und ihre Beantwortung hat nicht nur für das Unternehmen (und ihre Kapitaleigner) sondern auch für das Management erhebliche Folgen, wenn man beispiels-weise nur an die haftungs- und strafrechtlichen Konsequenzen denkt, wenn die Sanierung scheitert oder die Liquida-tion zu spät eingeleitet wird (vgl. u. a. § 64 Satz 1 GmbHG, § 92 II Satz 1 AktG, § 15 a InsO, § 283 ff. StGB usw.).

Sobald sich für das Management (und ggf. auch die Kapitaleigner) im Krisenfall die Frage stellt, ob man sanieren oder liquidieren (dazu zählt auch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, wobei durch gesetzliche Maßnahmen auch eine Sanierung in der Insolvenz möglich ist, vgl. insoweit §§ 217, 270 ff. InsO) soll, wird man nach geeigneten Instrumenten Ausschau halten, die Sanierungsfähigkeit für das Unternehmen mit hinreichender Sicherheit zu beur-teilen.

Das „Zauberwort“ heißt: Sanierungskonzept! Mit Hilfe eines Sanierungskonzeptes soll die Sanierungsfähigkeit schlüssig und nachvollziehbar dargelegt werden (vgl. Tz. 2 IDW S 6). Spätestens seit dem wegweisenden Urteil des BGH vom 09.07.1953 dürfte klar sein, dass eine Sanierung ohne Sanierungskonzept für das Management, Kapitaleigner aber auch (wesentliche) Gläubiger (vor allem Kreditinstitute wie im Fall der zitierten BGH-Entscheidung) nicht vertretbar, ja sogar unter Umständen „brandgefährlich“ ist. Die Frage ist nur, was ein Sanie-rungskonzept eigentlich ist, was (zwingend) dazu gehört, wie umfangreich es sein sollte, um die Sanierungsfähig-keit eines krisenbehafteten Unternehmens mit hinreichender Sicherheit zu beurteilen?

Gängige Praxis heute ist, sich am IDW-Standard S 6 (Fassung vom 20.08.2012) zu orientieren, der für Wirt-schaftsprüfer berufsrechtlich bindend ist, aber zunehmend auch von (berufsfremden) Beratern beachtet bzw. von bestimmten Gläubigern gefordert wird, wenn eine Sanierung begleitet werden soll (vgl. MaRisk {Mindestanforderun-gen an das Risikomanagement} für Kreditinstitute, Rundschreiben 10/2012 [BA] vom 14.12.2012, BTO 1.2.5., Tz. 2-3) oder beispielsweise die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinnes begehrt wird (vgl. BMF vom 27.03.2003, Tz. 4, dort ist vom „Sanierungsplan“ die Rede, dies kann mit Sanierungskonzept in etwa gleichgestellt werden). Somit kann festgehalten werden, dass der IDW-Standard S 6 zunehmend in der Praxis – auch von Berufsfremden – zur Anwendung kommt .

Beschäftigt man sich mit dem Inhalt des IDW S 6, der immerhin 34 Seiten und 158 Textziffern umfasst, so stellt man fest, dass es sich um eine relativ allgemein gehaltene Richtlinie handelt, die vom jeweiligen Konzeptersteller erst mit „Leben“ erfüllt werden muss. Es drängt sich außerdem der Eindruck auf, dass der IDW S 6 eher für größe-re sanierungsreife Unternehmen denn für kleinere oder mittlere Unternehmen gedacht ist (vgl. Tz. 5), obwohl letzte-re in der täglichen Praxis die weitaus größere Rolle spielen (vgl. EU-Definition für KMU sowie Größenordnungs-merkmale nach § 267 HGB).

Dabei sind schon zu Beginn einer Konzepterstellung wichtige Entscheidungen zu treffen, ob ein

  • umfassendes Sanierungskonzept, oder „nur“
  • eine Fortbestehensprognose zur Überprüfung möglicher Insolvenzantragsgründe gemäß FAR 1/1996 oder
  • eine Fortführungsprognose i.S.d. § 252 I Nr. 2 HGB aufgrund einer integrierten Planung, oder
  • andere Teilbereiche eines umfassenden Sanierungskonzeptes

erstellt werden sollen (vgl. Tz. 83, 84 IDW S 6, was im Übrigen vom Konzeptersteller mit seinem Auftraggeber abzustimmen ist). Auch eine abgestufte Vorgehensweise ist vorstellbar, z. B. Erstellung einer Fortbestehensprog-nose, um Insolvenzantragsgründe auszuschließen (oder zu beseitigen) als Vorstufe eines (dann folgenden) umfas-senden Sanierungskonzeptes. Über die verschiedenen Begriffe wird noch später zu berichten sein (Tz. 2.2). Hin-sichtlich der Gliederung von (umfassenden) Sanierungskonzepten kann man sich ohne weiteres an den 7 Punkten des IDW S 6 orientieren (Tz. 8):

  • Die Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang
  • Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
  • Die Analyse von Krisenstadium und –ursachen, einschließlich der Analyse, ob eine Insolvenzgefährdung vorliegt
  • Darstellung des Leitbilds mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens
  • Die Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und Abwendung einer Insolvenzgefahr
  • Ein integrierter Unternehmensplan
  • Die zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit

Diese Gliederung ist als Vorschlag zu verstehen, d. h. sie kann / muss an den jeweiligen Fall angepasst werden, insbesondere wird in der Praxis eine tiefere Untergliederung erforderlich sein.

Zum Umfang eines Sanierungskonzeptes und seinen konkreten Inhalten sagt der IDW S 6 hingegen wenig und erschöpft sich meistens in recht allgemein gehaltenen, allenfalls beispielhaften und im Regelfall nur qualitativen Aussagen.

In der Praxis sind den Verfassern eine Vielzahl von Sanierungskonzepten zur Beurteilung vorgelegt worden, die einen Umfang von wenigen bis zu 600 Seiten (!) hatten und die inhaltlich (trotz Bezugnahme auf IDW S 6) zum Teil völlig unterschiedlich aufgebaut waren.

Diese von Qualität und Quantität völlig unterschiedlichen Sanierungskonzepte / -gutachten sind für die Adressaten (Management, Kapitaleigner, Gläubiger, ggf. Betriebsrat etc.) zum Teil nur schwer nachvollziehbar und damit in nicht seltenen Fällen keine hinreichende Grundlage, eine Entscheidung zu treffen, ob die Sanierung sinnvoll ist (und falls ja, unter welchen Voraussetzung) oder besser die Liquidation / Insolvenz eingeleitet werden soll.

Die nachstehenden Ausführungen präzisieren deshalb den Sinn und Zweck von Sanierungskonzepten unter be-triebswirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten (Teil 2) und arbeiten die damit verbundene adressatenabhängige Zielsetzung heraus (Teil 3), um dann einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, der die bisherigen Umsetzungsdefizi-te versucht deutlich zu reduzieren, indem in einer standardisierten Management-Summary die wesentlichen Aspekte des Sanierungsvorhabens auf ca. 25 Seiten zusammengefasst und mit einer klaren Entscheidungsempfeh-lung versehen werden (Teil 4 + 5); dies gilt insbesondere für KMU.
Durch die standardisierte Management Summary soll der Konzeptersteller nicht in seiner Pflicht und Verantwortlich-keit gegenüber seinem Auftraggeber eingeschränkt werden, aber er soll für betroffene Adressaten (Management, Gläubiger, Jahresabschlussersteller bzw. -prüfer) eine präzise, leicht nachvollziehbare und mit einem zumutbaren Umfang versehene Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung der Sanierungsfähigkeit eines krisenbehafteten Unter-nehmens liefern.

Folgt man dieser Ausnahme, dann wird die Management-Summary einerseits den Umfang verdichten und auf das wesentliche „eindampfen“ und andererseits dem Konzeptersteller als Checkliste dienen, um die Vollständigkeit zu gewährleisten.

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