ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht | 2010
Peter W. Plagens und Barbara Wilkes
Einleitung/ Problemstellung
Im Jahr 2009 haben die deutschen Amtsgerichte 32.687 Unternehmensinsolvenzen an das Statistische Bun-desamt Deutschland gemeldet. Dies ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 11,6 %. Die Gesamtzahl der Insolvenzen einschließlich Verbraucher- und Nachlassinsolvenzen sowie Insolvenzen von natürlichen Perso-nen, die als Gesellschafter größerer Unternehmen von einer Insolvenz betroffen waren, belief sich im Jahr 2009 auf 162.907 (+ 5,0 % gegenüber dem Jahr 2008). Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages waren bei den insolventen Unternehmen 250.813 Personen beschäftigt (2008: 121.675). Die Gerichte bezifferten die voraus-sichtlichen Forderungen der Gläubiger im Jahr 2009 auf rund € 85,0 Milliarden (2008: 33,5 Milliarden), wobei der gesamtwirtschaftliche Schaden (Sekundärschaden) erheblich höher sein wird. Diese bisher höchste Forde-rungssumme ist auf die Insolvenz einiger wirtschaftlich bedeutender Unternehmen zurückzuführen. Die Wirt-schaftskrise traf 2009 bekannte Firmen wie Karstadt, Qimonda, Karmann, Schiesser, Rosenthal und Märklin.
Die Insolvenzordnung (InsO) nennt drei Gründe, bei deren Vorliegen ein Insolvenzantrag gestellt werden muss bzw. kann: drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO). Dem Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit kommt dabei in der Praxis eine zentrale Bedeutung zu, da er in der weit überwiegenden Zahl der Fälle den Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens darstellt.
Gleichwohl bestehen für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten, wel-che weder aufgrund der mit der Insolvenzordnung eingeführten Legaldefinition der Zahlungsunfähigkeit noch auf Basis der diesbezüglichen Rechtsprechung eindeutig und befriedigend gelöst werden kann.
Im Folgenden wird zunächst kurz die Entwicklung der Rechtslage und der Rechtsprechung zur Zahlungsunfä-higkeit dargestellt, um im Anschluss die betriebswirtschaftlichen Aspekte und offenen Fragen zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit zu vertiefen.